SHIELDS AGAINST VIOLENCE

 

„Ich umarmte die Kunst als Erlösung und Notwendigkeit“

Niki de Saint Phalle

 

„Jeder Mensch weiß, wie ein blauer Fleck oder eine Platzwunde aussieht. Die körperlichen Folgen einer Gewalterfahrung sind sichtbar. Wie aber sieht es aus mit seelischen Verletzungen? Sie sind unsichtbar und werden von den Betroffenen oft erst nach Jahren wahrgenommen. Körperliche Verletzungen können geheilt, Schmerzen gelindert werden. Aber was passiert mit der Seele? Wie, womit, wodurch kann sie geheilt werden? 

 Es war 2002, als ich, damals Studentin an der Kunstakademie in Kattowitz, nach einem Symbol suchte, um die unsichtbaren Folgen und Facetten der Gewalt, die selbst für die Gewaltopfer schwer zu benennen sind, visuell darzustellen. Bisherige Darstellungen im Bereich Malerei und Grafik Design schienen für mich nur ansatzweise das zu zeigen, was ich zum Ausdruck bringen wollte. Die Sprache der Bilder war mein Werkzeug und diese Sprache musste ich erweitern, um unbeschreibbare Erlebnisse der Gewalt in Kunst umzusetzen. 

Das Symbol des „Schutzschildes “ verwendete ich intuitiv in meinen damaligen Gemälden. So wurde es auch erkannt. Der Begriff  „Schutzschild“ wurde für mich zum Schlüsselwort. Vor 18 Jahren habe ich den Weg der „Schutzschilde“ betreten, den ich bis heute gehe.  

„Schutzschild“ wurde für mich zum Symbol der Psyche, die Gewalt erlitten hatte. „Schutzschild“ ist ein Gegenstand, der den Angriff abwehrt aber auch die Spuren der Gewalt bewahrt. Diese Forschung führte mich zu den 27 „Schutzschilden“ die u.a. ökonomische, häusliche, sexuelle Gewalt, sexuellen Missbrauch an Kindern aber auch die weibliche Genitalverstümmelung thematisieren.

 In der gesamten Menschheitsgeschichte hatten „Schutzschilde“ unterschiedlichste Formen angenommen. Die alten Griechen benutzten z.B. eine gebogene, runde  Form. Die Wikinger verwendeten einen ganz flachen, runden Schutzschild mit einer Ausbuchtung in der Mitte als Schutz für die Hand. Ich fügte die zwei Schutzschildformen zusammen, um die Form einer weiblichen Brust nachzubilden. 

In der Antike trugen Schutzschilde künstlerische Darstellungen der unterschiedlichsten Art. Auf dem berühmten Schutzschild des dunklen Hephaistos ist die Geschichte der Welt dargestellt mit Meeren und Ländern, Sonne und Sternen, aber auch das Leben des einfachen Menschen in Frieden und Krieg.

Ich benenne meine Schutzschilde als „Chirurgie der Seele“. Diese Kunst schöpft direkt aus der Umwandlung der Verletzung in die schöpferische Kraft. Die „Schutzschilde“ zeigen, wie man Schwäche in Stärke umwandeln kann. 

Ich wünsche mir, dass diese Ausstellung die Menschen anspricht, berührt und zum Nachdenken und zum Gespräch anregt. Ich wünsche mir, dass durch die Ausstellung viele Menschen  Antworten, Verständnis und Mitgefühl finden werden. Mein Wunsch ist, dass es uns gelingt, das Projekt „Schutzschilde“ mit betroffenen Menschen zu realisieren sodass viele Menschen, wie die französische Künstlerin Niki de Saint Phalle sagen können: „Ich umarmte die Kunst als Erlösung und Notwendigkeit“.“

 

Agata Norek, 2015 

 

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Die Geschichten von Männern in der Antike sind Erzählungen von Heldentaten, meist sind sie militaristisch und verbunden mit Stärke, Mut und Gewalt. Sie wurden mit Schwertern geschrieben. 

Die Schilde der Kämpfer sind einerseits Attibute eines Kriegers und Synonyme für Schutz, andererseits, was interessant ist, dokumentieren sie Geschichten. Auf dem sagenumwobenen Schild, welches der finstere Hephaistos schmiedete, wird die Geschichte der Welt dargestellt: die der Gewässer, des Landes, der Dunkelheit und des Lichts, der Wanderung der Himmelskörper, aber auch der Alltag der Menschen im Krieg und im Frieden. Die Szene, welche die Städte darstellt, erwies sich als Zukunftsvorhersage für den trojanische Krieg für Achilleus. 

Aus der Mythologie entspringen auch archetypische Frauenbilder: Ariadne, welche Liebesgeschichten zwischen Göttern und Sterblichen spinnt. Penelope die ein Sargtuch für ihren Mann webte und aufräufelte, damit ihre Liebe bewies und das Schicksal hinauszögerte. Das Spinnen war ebenfalls Aufgabe der Moiren, Weberinnen des Menschenschicksals.

Der Webstuhl ist jedoch ein zu kleiner Rahmen um die schweren Geschichten der Frauen zu erzählen und der Faden ein zu schwaches und zartes Material. Man benötigt eine stärkere und stabilere Substanz, zu einem gewissen Grad maskulin, welche jedoch nicht in Verbindung mit Gewalt steht. So wurde der Gedanke geboren, das Garn in der Hand der Frau durch ein Schild zu ersetzen, welches vor Gefahr schützt aber vor allem von ihrem Schicksal erzählt.

 

Elżbieta Owczarek

(Übersetzung: Viki & Katharina Slupik)